Ukraine

Krieg verschärft die Ernährungskrise

Nahmaufnahme Weizen

Weltweite Auswirkungen im Landwirtschaftssektor erwartet

Dominika Schneider ist Referentin für Umwelt, Landwirtschaft und ökologische Nachhaltigkeit bei Help. Im Folgenden analysiert sie die Krisensituation in Hinblick auf den Landwirtschaftssektor in der Ukraine. (Stand: 02.03.2022)

Kurzanalyse der Krisensituation in Hinblick auf den Landwirtschaftssektor in der Ukraine

Der Krieg in der Ukraine wird nicht nur die ukrainischen Landwirt:innen und die landwirtschaftliche Situation im Land, sondern auch das landwirtschaftliche System in Europa, in Nordafrika und weltweit betreffen. 

Die Ukraine gilt als wichtige Kornkammer und ist ein bedeutendes Exportland für Mais, Weizen und Sonnenblumenöl. In der Ukraine ist die Landwirtschaft ein bedeutender Wirtschaftszweig. 14,5% des Bruttoinlandprodukts im Jahr 2020 wurden durch die Landwirtschaft erwirtschaftet – darunter 59% im Ackerbau (bzw. Feldfruchtbau).

Insgesamt sind 21,9% der erwerbstätigen Ukrainer:innen in der Landwirtschaft beschäftigt. (1) 

Aktuell produziert die Ukraine 17,5% der weltweiten Sonnenblumenernte als Ölsaat (Sonnenblumenöl) und hält damit Platz eins der größten Exporteure weltweit (40% des globalen Sonnenblumenölexports). (2) (3)

Auch Weizen (8% des weltweiten Weizenexports) und Mais sind wichtige Feldfrüchte und werden in erheblichem Umfang als Nahrungsmittel und Tierfuttermittel nach Europa, Nordafrika und in den Mittleren Osten exportiert. (4)

Neben Mais, Weizen und Sonnenblumen sind zudem Raps, Zuckerrüben und Gerste relevante Feldfrüchte. (5)

 

Aktuell nur geringe Einbußen im Bereich der Wintersaaten erwartet

Die Wintersaaten Winterweizen, Wintergerste und Raps wurden bereits im Herbst bzw. Raps im Spätsommer 2021 ausgesät. Sie stehen somit bereits auf den Feldern.

In der Ukraine wird fast ausschließlich Winterweizen (rund 90% des gesamten Weizenanbaus) und Wintergerste angebaut. (6)

Dies kommt den Landwirt:innen in der aktuellen Lage zugute, da die Aussaat des Sommerweizens – die regulär jetzt ansteht – voraussichtlich stark eingeschränkt ist.

Allerdings muss auch das konventionell angebaute Wintergetreide zum Ende des Winters mit Dünger (Stickstoff) und bei Bedarf mit Pflanzenschutzmitteln versorgt werden. In welchem Umfang dies derzeit möglich ist variiert zwischen den Regionen. Verschärfend kommt der in den letzten Monaten deutlich eingeschränkte Düngemittelexport aus Russland hinzu. (7) Auch muss mit schlechter Verfügbarkeit von Benzin und Diesel für die Landmaschinen gerechnet werden.

Die Kombination aus der schlechten Sicherheitslage, schlechter Verfügbarkeit von Stickstoffdünger und Treibstoff kann zu geringeren Ernteerträgen bei Weizen, Gerste und Raps führen. Modellierungen zur Ernte der Winterfeldfrüchte gehen aktuell aber noch von einer guten Ernte für 2022 aus. (8)

Die Aussaat der Sommerfrüchte hängt von der Entwicklung im April ab

Anders sieht es bei den Sommerfrüchten Mais und Sonnenblumen aus. Mais wird typischerweise Ende April bis Anfang Mai ausgesät. Ähnlich verhält es sich mit Sonnenblumen.

Hier gibt es noch realistische Hoffnung, dass die ukrainischen Landwirt:innen die Aussaat saisongerecht ausbringen können. Zudem befindet sich das Saatgut oft bereits auf den Farmen.

Theoretisch ist die Aussaat in wenigen Wochen möglich, hängt aber stark von der Entwicklung des Konflikts ab. Oft benötigen die Landwirt:innen darüber hinaus ausreichend Vorlauf, um die Felder auf die Aussaat vorzubereiten.

Entwicklung des Konflikts bestimmt die Situation in der Ukraine und hat Einfluss auf den Weltmarkt

Die Entwicklungen des Konflikts in der Ukraine werden somit einen erheblichen Einfluss auf den Landwirtschaftssektor im Land haben.

Sollte der andauernde Konflikt die Ernte der Winterfeldfrüchte vermindern und die Sommerfeldfrüchte nur in geringem Umfang ausgebracht werden, wird ein merklicher Einbruch im Landwirtschaftssektor stattfinden, der die Nahrungsmittelversorgung und die Einkommensgrundlage der ländlichen Bevölkerung in der Ukraine betrifft. Es gilt dies in den nächsten Wochen zu monitoren, um frühzeitig negative Entwicklungen zu erkennen und Hilfsmaßnahmen bedarfsgerecht aufzubauen.

Zudem wird die Entwicklung auch Auswirkungen auf den Weltmarkt haben. Die Ukraine ist ein wichtiger Exporteur für Weizen und Mais für die nordafrikanischen und einige afrikanische Staaten sowie den ohnehin von einer Dürre betroffenen Mittleren Osten.

Auch eine verminderte Ernte bei den Sonnenblumen wird deutlichen Einfluss auf die Preisentwicklung von Sonnenblumenöl weltweit nehmen. (9)

In Europa wird bei stärkeren Auswirkungen auf den ukrainischen Landwirtschaftssektor die Tierhaltung durch erhöhte Preise für Viehfutter (z.B. cattle cake) betroffen sein.

Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass die hohen Preise für Weizen, Mais und Sonnenblumenöl insbesondere einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen im globalen Süden treffen werden.

Handlungsempfehlung mit Fokus auf den Agrarsektor und Lebensmittelmarkt

In den kommenden Wochen und Monaten gilt es, die Preisentwicklungen für die genannten Güter auf dem internationalen Markt zu beobachten, um frühzeitig Implikationen in der Ukraine selbst, aber auch in Ländern des globalen Südens in verschiedenen Formen in der Projektarbeit zu adressieren.

Ein älterer Mann in der Ost-Ukraine in einem Bus
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