Humanitäre Hilfe

Lokalisierung

Zwei Mitarbeiterinnen von Camp im Gespräch mit pakistanischen Frauen

Hilfe vor Ort stärken

Lokalisierung bedeutet, lokale Akteure in Krisenregionen in den Mittelpunkt der humanitären Hilfe zu stellen. Sie können schneller und effektiver auf Herausforderungen reagieren. Unser Ziel: die Stärkung lokaler und nationaler Partnerorganisationen, um ein nachhaltigeres und gerechteres Hilfssystem zu schaffen.

Warum ist Lokalisierung so wichtig?

Aufgrund steigender humanitärer Bedürfnisse durch die Klimakrise und bewaffnete Konflikte steht das internationale Hilfssystem vor großen Herausforderungen. Mangelnde Finanzierung führt dazu, dass nicht alle Menschen in Not ausreichend unterstützt werden. Globale Krisen gefährden zudem Fortschritte in den Bereichen Armutsbekämpfung, Ernährungssicherheit, Bildung und Gesundheitsversorgung. Lokale Akteure haben oft nur begrenzten Zugang zu finanziellen Mitteln und Entscheidungsprozessen.

Lokalisierung zielt darauf ab, ihnen mehr Einfluss auf die Nutzung internationaler Gelder zu geben, um Hilfe sowie Entwicklungszusammenarbeit effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Im Rahmen des Grand Bargain verpflichten sich Geber seit 2016, mindestens 25 % der Mittel lokalen Akteuren bereitzustellen.

Was Lokalisierung für Help bedeutet

Seit 1981 steht Help für „Hilfe zur Selbsthilfe“ und fördert nachhaltige Strukturen in betroffenen Gemeinschaften. Lokalisierung betrachten wir nicht nur als Mittel zur Effizienzsteigerung, sondern als Grundlage für ein gerechteres Hilfssystem. Dabei streben wir an, Machtungleichheiten abzubauen und lokale Akteure in Planung und Entscheidungen einzubinden, stets im Einklang mit humanitären Prinzipien.

Um Entwicklungserfolge unabhängig von politischen Umbrüchen zu sichern, setzen wir auf politische Unabhängigkeit, Nachhaltigkeit und langfristiges Engagement. Unsere Lokalisierungsziele verfolgen wir daher stets kontextbezogen und unterscheiden zwischen regionalen Rahmenbedingungen (etwa lokaler Gesetzgebung), möglichen zivilgesellschaftlichen Einschränkungen sowie der Unabhängigkeit, Neutralität und Verlässlichkeit lokaler und nationaler Organisationen. In der Projektarbeit folgt Help dem Leitprinzip „so lokal wie möglich, so international wie nötig“.

Vorteile der Lokalisierung

In der humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit arbeiten wir eng mit lokalen Partnerorganisationen zusammen. Diese spielen eine wichtige Rolle als Ersthelfer in Krisensituationen und bilden die Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung, da sie langfristig vor Ort aktiv sind. Sie haben oft besseren Zugang zur betroffenen Bevölkerung und ein besseres Verständnis für deren Bedürfnisse.

In unserer Partnerschaft mit diesen Organisationen sehen wir uns nicht nur als Geldgeber, sondern vor allem als Unterstützer der lokalen Zivilgesellschaft. Wir setzen uns dafür ein, dass die Stimmen und Bedürfnisse der lokalen und nationalen Organisationen gehört werden, bieten direkte, flexible und langfristige Finanzierung an und unterstützen sie bei der Umsetzung von Projekten.

Herausforderungen der Lokalisierung

Die Lokalisierung in der internationalen humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit bringt viele Chancen und Vorteile mit sich, aber auch einige Herausforderungen. Für viele lokale und nationale Akteure stellen die strengen Anforderungen der Geberinstitutionen eine große Hürde dar, da sie mit oftmals begrenzten Ressourcen komplexe Geberanforderungen erfüllen müssen, an deren Entwicklung sie nicht beteiligt waren. Zudem wird die Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen von Gebern als riskanter angesehen, als mit Organisationen aus dem Globalen Norden.

Ein weiterer Faktor ist, dass große internationale Organisationen im humanitären System bevorzugt werden, um in Krisenkontexten schnell und punktuell einzugreifen. Ein Aufbau langfristiger Partnerschaften mit lokalen Akteure wird dadurch verhindert.

Unser Grundsatz in der Lokalisierung

Als Unterzeichner der internationalen Initiative Charter for Change arbeiten wir daran, dass lokale und nationale Akteur:innen in Zukunft eine führende Rolle in der humanitären Projektarbeit übernehmen. Wir wollen ein gerechteres, effizienteres und effektiveres Hilfssystem schaffen. Diesen Ansatz verfolgen wir auch in unserer Entwicklungszusammenarbeit.

Unsere Ziele in der Lokalisierung

Wir versuchen, unsere humanitären und entwicklungspolitischen Projekte partizipativ mit den Begünstigten zu gestalten. Wir arbeiten eng mit lokalen und nationalen Organisationen zusammen, um Projekte zu entwickeln und umzusetzen. Wir prüfen und bevorzugen die Führung durch lokale und nationale Partnerorganisationen in jedem Schritt des Projektzyklus. Wenn wir von diesem Ansatz abweichen, müssen wir dies begründen, basierend auf den spezifischen Umständen vor Ort.

Wir geben lokalen und nationalen Organisationen mehr Mittel, die flexibler und über mehrere Jahre hinweg eingesetzt werden können. Dazu gehört auch, dass wir die Kosten für Verwaltung („overhead costs“) bereitstellen, damit unsere Partner:innen einen Personalstock aufbauen, sich mit anderen Organisationen vernetzen, an Koordinationsmechanismen teilnehmen und eigene Fundraising- und Kommunikationsstrukturen aufbauen können. Wir übertragen finanzielle Risiken nicht auf unsere Partnerorganisationen, sondern arbeiten gemeinsam daran, diese zu managen.

In unserer Zusammenarbeit mit lokalen und nationalen Partnerorganisationen verschieben wir unseren Fokus, wenn möglich, von kurzfristiger Hilfe für einzelne Projekte hin zu langfristigen Partnerschaften auf Augenhöhe. Wir respektieren das Wissen und die Erfahrung unserer Partnerorganisationen und arbeiten gemeinsam an der Entwicklung von Programmen und Projekten. Wir überprüfen regelmäßig jede Partnerschaft und passen sie gemeinsam mit unseren Partner:innen an neue Herausforderungen an.

Wir helfen lokalen und nationalen Organisationen dabei, ihre Fähigkeiten und Ressourcen zu stärken, damit sie selbstständig mit humanitären Krisen umgehen und nachhaltige Entwicklungsziele erreichen können. Dabei basieren unsere Maßnahmen auf einer Selbsteinschätzung unserer Partnerorganisationen. Gleichzeitig erkennen wir an, dass die Zusammenarbeit mit unseren lokalen Partner:innen auch die Fähigkeiten und Sachkenntnisse von Help verbessert. Wir wollen, dass diese Partnerschaften für beide Seiten vorteilhaft sind und sich gegenseitig stärken.

Wir helfen unseren Partnerorganisationen dabei, Mitarbeiter:innen anzuwerben und zu halten. Dafür stellen wir sicher, dass sie genug Geld und Unterstützung für Schulungen und Weiterbildungen bekommen. Wir versuchen, keine Mitarbeiter:innen von lokalen und nationalen Organisationen abzuwerben.

Wir legen offen dar, wie wir unsere Projektgelder gemeinsam mit lokalen Partnerorganisationen einsetzen. Für unsere Entscheidungen und Handlungen übernehmen wir gegenüber den Menschen, die von unseren Projekten profitieren, den Geldgeber:innen, Spender:innen und der Öffentlichkeit Verantwortung.

In unserer Advocacy-Arbeit vertreten wir die Anliegen unserer lokalen und nationalen Partner:innen gegenüber politischen Entscheidungsträger:innen und Geberinstitutionen. Wir fördern den direkten Austausch zwischen ihnen. Wir betonen die wichtige Rolle lokaler und nationaler Akteur:innen im internationalen Hilfs- und Entwicklungssystem und fordern die Bundesregierung auf, ihre internationalen Verpflichtungen, wie das Grand Bargain oder die Agenda 2030, zu erfüllen. Dazu gehört der verbesserte Zugang lokaler Akteur:innen zu Finanzierungsfonds und internationalen Koordinationsmechanismen sowie die Beseitigung von Sprach-, Technik- und Organisationsbarrieren.

Außerdem setzen wir uns für langfristige und flexible Finanzierungslinien für lokale und nationale Akteur:innen ein. Nicht nur für Projekte, sondern auch für den Aufbau von Kapazitäten, Personal und verlässlichen Partnerschaften auf Augenhöhe. Außerdem arbeiten wir an einer transparenteren Darstellung der Finanzierung von lokalen und nationalen Akteur:innen durch Geberinstitutionen.

Wir zeigen immer, wie wichtig unsere lokalen und nationalen Partner:innen für unsere Projekte sind. Wir machen das gegenüber Geldgebern, Spendern, Medien und der Öffentlichkeit deutlich. In unseren Veröffentlichungen, Veranstaltungen, Treffen und in unserer Presse-, Social-Media-, Fundraising- und Öffentlichkeitsarbeit stellen wir die Arbeit und das Fachwissen unserer Partnerorganisationen korrekt und transparent dar.

Help-Policies: Empowerment und Lokalisierung

  • Empowerment und Lokalisierung
    In unserem Policy-Dokument erhalten Sie umfassende Informationen zu unserem Verständnis von Empowerment und Lokalisierung. Jetzt lesen! Öffnen