Helfer unterwegs - Schriftzug
Psychologische Betreuung durch Dr. Iman Al-AliGespräch
Jordanien

Der Krieg hinterlässt Narben

Leen ist ein 14 Jahre altes Mädchen und  mit ihrer Familie aus Syrien geflohen. "Wie geht es dir heute?“, fragt  die Psychotherapeutin Dr. Iman Al-Ali. Leen guckt schüchtern auf den Boden. Sie antwortet nicht. 

Seit einigen Wochen kommt Leen in die Zarqa-Klinik nordöstlich der jordanischen Hauptstadt Amman. Ihre Mutter hat sie zur Therapeutin gebracht. Ihre Tochter solle Probleme haben, mit Menschen zu sprechen, sogar mit der eigenen Familie, erzählt sie.

Heute ist die vierte Sitzung. Die Psychotherapeutin fordert Leen auf, an schöne und schlimme Erlebnisse aus ihrem Leben zu denken. Für jeden traurigen Moment soll sie einen Stein auf ihrer Lebenslinie legen - symbolisiert durch eine Schnur. Für jede positive Erinnerung eine bunte Blume. Es ist ein Weg, dem Inneren des Mädchens näher zu kommen.

Dr. Iman Al-Ali glaubt, dass es traumatische Erlebnisse in der Kindheit von Leen gibt: „Noch ist sie nicht bereit, darüber zu sprechen. Das wird noch ein langer Weg.“ Leens Bruder leidet unter Schizophrenie. Die 14-Jährige hat von Schlägen des Bruders berichtet. Die Psychotherapeutin geht davon aus, dass dieses Erlebnis ihren Zustand verschlimmert hat.

Seit 2013 ist sie Teil des „Help“-Projekts zur psychotherapeutischen und psychiatrischen Versorgung.

„Viele Patienten haben kein Geld um sich überhaupt Medikamente oder eine Therapie leisten zu können. Hier bekommen sie beides umsonst. Ich bin glücklich. Ich kann diesen Menschen helfen. Wenn der Patient mir am Ende sagt, dass es ihm wieder gut geht, berührt das mein Herz.“

Im Laufe der heutigen Sitzung spricht Leen immer mehr. Aber es wird noch einige Treffen brauchen, bis Dr. Iman Al-Ali eine eindeutige Diagnose stellen kann: „Ich hoffe, bald genug Vertrauen zu ihr aufzubauen, um ihr richtig helfen zu können.“ Leen zumindest fühlt sich wohl: „Ich mag es, mit Dr. Iman zu sprechen. Ich bin glücklich, hier zu sein.“


Interview mit Psychiater Hashem Issam Alfakhouri


Worunter leiden syrische Flüchtlinge besonders?
Die Menschen aus Syrien leiden oft an Posttraumatischen Belastungsstörungen und Depressionen, da sie im Krieg viel Schlimmes erlebt haben. Die syrischen Kinder haben neben Angststörungen oft auch alltägliche Probleme, die damit zusammenhängen, wie zum Beispiel Nachts ins Bett zu machen.

Wie unterstützt „Help“ diese Menschen?
„Help- Hilfe zur Selbsthilfe“ ermöglicht den Menschen eine kostenlose Behandlung. Das Besondere ist, dass es nicht nur eine medikamentöse Behandlung ist, sondern die Betroffenen auch die Möglichkeit zur Psychotherapie haben.

Warum arbeiten Sie für dieses Projekt?
Ich mag dieses Projekt, ich helfe gerne den syrischen Flüchtlingen hier in Jordanien. Manchmal berühren mich die Geschichten der Patienten so sehr, dass ich tagelang darüber nachdenke.


Was war die emotionalste Geschichte, die Sie je gehört haben?
Ein syrisches Mädchen erzählte mir ihre Geschichte. Sie ist 13 Jahre alt. Sie ging zum Supermarkt, um Eiscreme zu holen. Als sie zurück lief, sah sie, wie das Haus ihrer Familie zusammenfiel. Eine Rakete hatte eingeschlagen. Ihre ganze Familie war tot. Sie beschrieb mir, wie die Körperteile ihrer Familie auf dem Boden lagen. Sie wusste nicht mehr, welche Teile zu ihren Eltern gehörten. Überall war Blut. Die Eiscreme schmolz in ihren Händen. Sie rief nach ihren Eltern, dass sie Eiscreme mitgebracht hätte. Aber ihre Eltern waren nicht mehr da.