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Südsudan: Auf den Spuren einer humanitären Katastrophe
Südsudan

Auf den Spuren einer humanitären Katastrophe

Während der Flieger wieder einmal hart auf dem Rollfeld des Flughafens von Juba aufsetzt, denke ich über die Entwicklung des Südsudans nach. Seit immerhin 4 1/2 Jahren mit 15 einzelnen Besuchen bereise ich ein Land, das im Februar 2012, bei meiner ersten Reise als Referent, die Hoffnung von Frieden und Entwicklung in sich trug. Unsere Aktivitäten hatten einige Monate früher, im September 2011, kurz nach der Unabhängigkeit, begonnen und die Euphorie der Bewohner des jüngsten Staates der Welt war noch deutlich spürbar. Das Einkommen aus den Ölquellen bedeutet eigentlich, dass der Südsudan keineswegs eines der ärmsten Länder der Welt sein müsste. Etwa 40 Jahre Ölförderung wurden dem Staat prognostiziert. 40 Jahre um aus einem der unterentwickeltsten Länder - wenn nicht DEM unterentwickeltsten Land der Welt - etwas zu machen.

Ich weiß noch, wie das neue Terminal des Flughafens 2012 aussah. Es ist nicht schwierig sich zu erinnern, denn so sieht es in etwa heute noch aus. Korruption und Misswirtschaft haben dazu beigetragen, dass sich das Land nicht weiter entwickelt hat und das "neue" Flughafenterminal steht als Sinnbild für dieses Verfehlen an dem Ort, wo viele Besucher ein- und ausreisen. Seit der Unabhängigkeit gab es 2012 Grenzstreitigkeiten mit dem Sudan, was nicht sehr verwunderlich war aufgrund der Animositäten zwischen Juba und Karthoum. Was den Südsudan allerdings seit Dezember 2013 heimsucht ist wie ein Krebsgeschwür, das wächst und wächst. Ein sich ausbreitender und nicht enden wollender Bürgerkrieg zwischen den Machteliten des Landes hat den Keim der Entwicklung erstickt und die Gesellschaft um Jahre zurückgeworfen. Hilfsorganisationen wie Help versuchen das Leid der Menschen zu lindern, aber es fehlt an Finanzierungen, um dies effektiv genug zu leisten. Wir sind nun am Ende des Jahres und der von den Vereinten Nationen bezifferte Betrag, um die humanitäre Katastrophe einzudämmen, ist nur zu 64% finanziert. Es fehlt dringend an Mitteln, um die absoluten Mindestanforderungen zu decken – ich spreche hier allein von lebensrettenden Maßnahmen.  

Auf meiner Reise habe ich das Vertriebenencamp Mingkaman besucht, wo derzeit 114.000 der insgesamt 2,8 Mio. Vertriebenen unter schwierigsten Verhältnissen hausen. Help baut Latrinen und entsorgt diese, um der Verbreitung von Krankheiten wie Cholera entgegenzuwirken, die seit Juli im Camp grassiert. Zudem baut Help neue Brunnen, um auch hier durch sauberes Wasser Menschen vor Krankheiten zu schützen. Sanitäranlagen, Wasserversorgung und Hygieneschulungen greifen dabei ineinander und bilden die Grundlage für einen wirksamen Schutz.

Auf dem Weg weiter nach Norden, zum Bezirk Yirol, rufen wir stündlich unsere Kollegen an, um sie darüber zu informieren, dass wir nicht überfallen wurden. Für etwa 140 km brauchen wir gute fünf Stunden, denn im Südsudan gibt es nur eine einzige geteerte Überlandstraße. In der 6-monatigen Regenzeit lösen sich die Schotterpisten auf und Schlaglöcher, so groß wie unser Jeep, tun sich auf. Nicht selten bleibt man trotz Allradantriebs stecken und ist darauf angewiesen, dass sich ein weiteres Auto auf die gefährliche Strecke begibt, um das erste aus dem Schlamm zu ziehen. Wir kommen dieses Mal gut durch und erreichen unser einfaches Basislager nachmittags, während dort therapeutische Nahrungsmittel und Medikamente zur Behandlung von Unterernährung entladen werden. In acht entlegenen Zentren im Busch rund um Yirol versorgt Help vor allem Kinder und schwangere sowie stillende Frauen, die lebensbedrohlich an Unterernährung leiden. Alleine durch diese Maßnahmen konnten wir im vergangenen Jahr etwa2.800 Leben retten. In diesem Konflikt, in dem nicht einmal mehr die Vereinten Nationen die Toten zählen, fühlt es sich an wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Und dennoch - jedes Leben bleibt unersetzlich und es lohnt sich darum zu kämpfen. Wenn ich mir die hervorragende Arbeit meiner Kollegen im Südsudan anschaue, unter schwierigsten Bedingungen, sind sie nicht selten lebensbedrohlichen Situationen ausgesetzt, dann weiß ich, warum ich meinen Job mache und wie wichtig gute Teamarbeit ist, um unsere Ziele umzusetzen.