Helfer unterwegs - Schriftzug
Nepal: Interview mit einem unserer Nothelfer
Nepal

Interview mit einem Nothelfer

Zwei erfahrene Nothelfer, Guido Krauss und Heinrich Schulz, sind seit Dienstag, den 28. April, im Auftrag von „Help“ in Nepal. Die beiden Bauingenieure arbeiten in engem Austausch mit den deutschen Organisationen vor Ort und haben im Distrikt Sindhupalchok den stark betroffenen, bislang von Hilfe abgeschlossenen Ort Thulo Sirubari identifiziert. Wir haben Guido um ein kurzes Interview gebeten:

Wie schätzt du die aktuelle Situation in Nepal ein?

Mit jedem Tag, mit jeder Stunde kommen mehr aktuelle Informationen zusammen, derzeit ändern sich aber noch die Zahlen und Angaben zu den Auswirkungen des Erdbebens und es wird noch einige Zeit dauern, bis das komplette Ausmaß erfasst ist. Bisher wurde erfasst, dass mehr als 7.700 Menschen ums Leben gekommen sind und fast 16.000 Verletzte wurden bisher registriert. Von den 75 Distrikten in Nepal sind 39 betroffen. Es gibt Distrikte die schwerer betroffen sind als andere. Die Hilfe der internationalen Organisationen und der Regierung ist im Gange, wird aber durch verschiedene Schwierigkeiten besonders im Hinblick auf Logistik, Zugänglichkeit zu den am schwersten betroffenen Gebieten und Koordinierung der Hilfe erschwert. Die Hilfe konzentriert sich momentan auf die 14 am schwersten betroffenen Distrikte. Dazu gehört auch der Distrikt Sindhupalchok, in dem Help mit der Verteilung von dringend benötigten Hilfsgütern begonnen hat. Sindhupalchok gilt als einer der am schwersten betroffenen Distrikte mit der bisher höchsten Anzahl von fast 3.000 Erdbebenopfern. In einer ersten Bestandsaufnahme heißt es, dass bis zu 90 % der Häuser in Sindhupalchok zerstört sind. In Kathmandu sind vor allem viele historische Gebäude und Tempelanlagen zerstört. Aber auch Wohnhäuser sind betroffen. Trotz der traumatischen Erlebnisse versuchen vor allem die Leute in Kathmandu zu einer gewissen Normalität zurück zu finden. Viele Läden, die noch mehrere Tage nach dem Erdbeben geschlossen waren, sind wieder offen. In den Läden gibt es Wasser und Nahrungsmittel. 

Wo seid ihr aktuell tätig?

Help ist momentan im Dorf Thulo Sirubari im Distrikt Sindhulpalchok tätig.

Warum speziell in dieser Region?

Sindhulpalchok ist einer der am schwersten betroffenen Distrikte in dem bis zu 90 % der Häuser zerstört wurden. Vergangenen Freitag, 2 Tage nach unserer Ankunft in Nepal, haben wir das Dorf Thulo Sirubari das erste Mal erreicht. Bis dahin hatten die Leute im Dorf noch keine Hilfe erhalten. Nur ein paar Dorfbewohner, die Familienmitglieder verloren hatten, bekamen vom Nepalesischen Roten Kreuz eine Plastikplane. Als wir mit den Leuten im Dorf gesprochen haben, waren sie sehr glücklich als sie erfuhren, dass Help ihnen dringend notwendige Hilfsgüter wie Zeltplanen und Werkzeuge zur Verfügung stellen wird. 

Wie sehen eure Pläne für die kommenden Wochen aus?

Ganz wichtig ist im Moment, dass die Leute dringend notwendige Hilfsgüter zur Verfügung bestellt kommen. Allerdings wollen wir nicht nur verteilen, sondern auch mittel- und langfristig die Bevölkerung zur Selbsthilfe befähigen. Konkret bedeutet das für die nächsten Tage und vielleicht auch noch Wochen: Hilfspakete zusammenstellen und ausliefern. Gleichzeitig haben wir sofort einen Community Mobilizer zusammen mit unserem lokalen Partner in Thulo Sirubari installiert. Es wurden bereits Komitees gegründet, mit denen wir uns gemeinsam über die notwendigen Hilfsgüter und die Verteilung abstimmen. Damit wollen wir die Selbstbestimmung fördern und die aktive Kooperation zwischen uns als Hilfsorganisation und ihnen als Empfängern fördern. In den nächsten Tagen heißt das für uns, weiter vor Ort zu sein, aber gleichzeitig auch in Kathmandu die notwendigen Materialien zu beschaffen, Preise einzuholen, LKWs zu beladen und für uns als Organisation eine gewisse Struktur aufzubauen, damit wir effektiv Hilfe leisten können. Mittel- und langfristig wollen wir gern ein Wiederaufbau-Projekt entwerfen. Dafür werden jetzt bereits Daten gesammelt und Gespräche mit den Leuten vor Ort geführt, um ein mögliches Projekt den Bedürfnissen der Leute anzupassen.

Wie empfindest du persönlich die Situation?

So eine Situation nach einer Naturkatastrophe ist natürlich immer eine Ausnahmesituation. Vor allem für die betroffene Bevölkerung, aber auch für die Leute der Organisationen, die vor Ort im Einsatz sind. Natürlich hilft einem die Erfahrung von mehreren Einsätzen in der Not- und Katastrophenhilfe, die Dinge besser einzuordnen und sich mit der Situation zu arrangieren. In erster Linie geht es für mich darum, professionelle Hilfe zu leisten, indem man sich auf die Menschen und ihre Bedürfnisse konzentriert. Das resultiert dann oft in vielen Nächten mit wenig Schlaf, viel Stress und manchmal auch Anspannung. Wenn man dann aber sieht, wie dankbar die Menschen – von denen es für viele in so einer Situation oft um das nackte Überleben geht - für die Unterstützung sind, ist es diese Anstrengungen mehr als wert. Trotzdem kommt einem manchmal der Gedanke, dass man nicht überall und für alle Unterstützung leisten kann. Dann hilft der Gedanke, dass es eine große Community von Organisationen gibt, aber auch viele Privatpersonen vor Ort, die alle unter großen Anstrengungen versuchen ein kleines oder größeres Stück Unterstützung zu geben. Persönlich beeindrucken mich das Mitgefühl und die Hilfsbereitschaft der Nepalesen für ihre Landsleute. Viele Privatinitiativen und individuelle Personen versuchen ein Stück Hilfe mit zu leisten, in dem sie z.B. selbst Nahrungsmittel in bestimmte Regionen transportieren oder zur Verfügung stellen.

Viele Grüße aus Nepal, euer Guido