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Meine Zukunft, das FSJ und ich
Jeder hat es selbst erlebt: Plötzlich steht der Abschluss vor der Tür. Die Lehrerschaft lässt die jungen, frisch gebackenen Bürger auf die Republik los, gut vorbereitet auf die alltäglichen Gefahren der Hypotenusen und Mitochondrien. Bevor man aber das Perpetuum Mobile erfinden oder die Formel des Steins der Weisen wiederentdecken kann, sollte man sich klar werden: Was willst du? Und das ist gar nicht mal so einfach.
Nach dem Abitur gibt es durchaus Menschen, die den Erwartungen entsprechend genau wissen, was sie nach der Schule machen wollen. Am besten gleich noch wo, wie lange, welcher Job, Haarfarbe des zukünftigen Partners und Zweitname des dritten Haustiers. Andere Menschen, zu denen ich mich zählen darf, hatten nicht ganz so genaue Vorstellungen.
Was macht man also, wenn man, mit dem Wissen über die Auslöser der Industrialisierung und die Ableitung quadratischer Funktionen bewaffnet, von den Chancen und Möglichkeiten der großen weiten Welt überwältigt wird? Warum nicht noch ein Jahr nicht den Erwartungen entsprechen, dachte sich das ein Jahr jüngere Ich und bewarb sich bei „Help – Hilfe zur Selbsthilfe“. Unter der Trägerschaft der DRK Schwesternschaft „Bonn“ bietet Help jedes Jahr ein Freiwilliges Soziales Jahr im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und Verwaltung an.

Als ich mich dort bewarb, waren mir verschiedene Dinge nicht klar. Erstens sitze ich nicht nur den ganzen Tag am Schreibtisch und koche Kaffee. Zweitens ist Kaffee kochen weitaus komplizierter als es den Anschein hat. Insbesondere wenn man selbst gar keinen Kaffee trinkt. Drittens ist ein FSJ nicht einfach ein langes Praktikum. Immerhin wird man besser bezahlt. Es scheint wohl klar geworden zu sein, dass Kaffee kochen durchaus zu meinem Arbeitsbereich zählt. Allerdings nur, wenn Besuch da ist. Tatsächlich verbringt man einen nicht unbedeutenden Teil der Arbeitszeit am Schreibtisch. Aber genauso häufig, wie man selbstständig Tabellen zu Arbeitsstatistiken oder Factsheets zu den Hilfsprojekten anlegt, arbeitet man mit anderen an Design- oder Systemfragen und bespricht mit der Geschäftsleitung die Auswertung der Projektarbeit.
Beim Jour Fixe, der wöchentlichen Betriebsversammlung, bekommt man einen intensiven Einblick in die Projektarbeit, in welchen Ländern wir helfen, wie wir es tun, und was in jenen Ländern geschieht, die von den Medien meist kaum beachtet werden. Besonders eindrucksvoll war für mich die Krise im Südsudan, von der ich bis dahin gar nicht wusste, dass sie bereits seit 2013 auf Grund von Bürgerkrieg und El Niño andauert - oder überhaupt existiert.
Auch der Internetauftritt einer Organisation ist wichtig, und der FSJler wird aktiv in dessen Gestaltung mit eingebunden. Die Organisations-Accounts auf Instagram und Youtube kann der motivierte FSJler der Generation Handy fast völlig selbst verwalten, und ebenso kann man bei der Gestaltung des Contents auf Facebook und Twitter gerne seine Meinungen und Erfahrungen einbringen.
Ein Highlight meiner Arbeit bei Help waren die verschiedenen Veranstaltungen: So nimmt Help jedes Jahr am Kultur- und Begegnungsfest und dem Tag der Vereinten Nationen in Bonn teil. Alles überragt jedoch der Kirchen- bzw. Katholikentag. Beide Veranstaltungen finden jeweils abwechselnd einmal jährlich statt. Dieses Jahr war es der Kirchentag in Berlin, den wir in den Berliner Messehallen besuchten. Neben den religiösen Inhalten fanden auch viele offene Diskussionsrunden zu aktuellen politischen und humanitären Themen statt. Und auch Berlin selbst ist immer eine Reise wert.

Und nun ist schon Juni. Auch wenn es noch zwei Monate hin sein mag: Rückblickend geht so ein Jahr schnell vorbei. Und wieder kommt die Frage auf: Was willst du? Ausbildung? Studium? Und was genau? Elektriker? Mediziner? Filmstar? Germanist? Fashion Blogger? Die Chancen sind da. Auch wenn ich Fashion Blogger nicht ernsthaft in Erwägung ziehe.
Weiß ich jetzt, was ich will? Nein. Das Leben liegt noch vor mir. Wer weiß schon, ob ich morgen Jurist einer Londoner Top-Kanzlei bin oder Affen die Weltherrschaft übernommen haben. Aber jetzt weiß ich: All die Erwartungen sind ziemlich hoch geschraubt. Nach einem Jahr in einem natürlichen Arbeitsumfeld, raus aus der schulischen Zukunftsträumerei und dem elterlichen Geborgenheitskokon, habe ich eine ungefähre Vorstellung, was wirklich auf mich zukommt. Arbeit ist kein Zuckerschlecken. Aber das Arbeitserlebnis erdet einen und zeigt einem auf, dass der Stein der Weisen nicht existiert und dass das Perpetuum Mobile physikalisch unmöglich ist. Niemand nimmt mir meine Entscheidung ab. Aber dank der Eindrücke, die ich von Help mitnehme, ist mir nun klarer, welche Arbeitsfelder ich spannend finde, und welche mir weniger liegen. Und das alles wird mir letztendlich helfen, meine Entscheidung zu treffen.
Jedem, der nicht weiß, wohin es gehen soll und was ihn erwartet, kann ich ein FSJ nur empfehlen. Wer sich für Entwicklungshilfe und Öffentlichkeitsarbeit interessiert, dem kann ich Help wärmstens ans Herz legen.
Euer Stefan
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