Helfer unterwegs - Schriftzug
Griechenland - Flüchtlinge in Idomeni
Griechenland

Not in Idomeni (Teil 2)

Samstag, 19. März in Idomeni: Ein Lager der Verzweifelten ist das improvisierte Camp in Idomeni an der Grenze zu Mazedonien. Rund 13.000 Flüchtlinge, überwiegend aus Syrien und Afghanistan warten in Schlamm und Matsch auf Öffnung der Grenzen und wollen doch die Hoffnung nicht aufgeben. Seit zwei Tagen lässt der Regen nach, der Boden ist heute weniger weich und schlammig, neue Zelte wurden von Ärzte ohne Grenzen aufgebaut. Es fehlt vor allem an sanitären Anlagen. Die Menschen fürchten sich bereits selbst vor Krankheiten. Hoffnung ist nicht in Sicht: Die Lage wird nicht besser nach dem EU-Türkei-Deal. Wir treffen Sevin, 25 Jahre alt, aus Aleppo mit ihrer Mutter und jüngeren Schwester. Im Zelt sitzen noch Tante und Cousin. Alle sind gemeinsam geflüchtet. Zunächst aus Aleppo in die Türkei. Drei Jahre hat Sevin mit ihrer Familie in Istanbul gelebt und täglich 12-13 Stunden als Näherin gearbeitet. Die 500 Dollar Monatsgehalt haben der Familie nicht gereicht, manchmal hat der Chef das Gehalt auch nicht gezahlt. Die Schwester konnte nicht zur Schule, das konnten sie sich einfach nicht leisten. Der Vater ist im Krieg in Syrien gestorben. Sevin ist gut ausgebildet, sie hat Agrarwissenschaft studiert. In Deutschland leben bereits zwei Brüder von Sevin, zu ihnen wollen die drei Frauen nun endlich weiter. 

„Die Toiletten sind schmutzig, waschen kann man sich kaum, ich habe große Angst vor Krankheiten hier“ ,erzählt uns Sevin.

Sevin ist krank, sie hat Krupp-Husten. Katrin, eine junge Frau aus Salzburg ist auch hier und versorgt sie mit Medikamenten. Davor haben alle hier Angst, auch die Helfer. „Es gibt andere Camps für euch, da sind die Zustände besser“, versuche ich sie zu überzeugen. „Warum will keiner von hier weg?“ ist meine Frage. Sevin schüttelt den Kopf. Es gibt Konflikte unter den Flüchtlingsgruppen. Vor allem die Frauen haben große Angst vor sexueller Belästigung in den größeren Zelten und Camps. Auch in der Türkei seien sie sexuell belästigt worden und sie wollen dorthin auf keinen Fall zurück. „Die humanitäre Situation ist nicht gut“, berichtet Sevin.  Ich kann ihr und der Familie nur alles erdenklich Gute wünschen und hoffen, dass wir in Europa in der Lage sind, Menschen eine Perspektive zu bieten. Dies hat jeder Mensch verdient, ganz gleich, wo er herkommt.

Montag, 21.03.2016: Piräus am Tag 1 nach dem EU-Türkei-Abkommen

Am Hafen von Piräus sind auch am Wochenende täglich zwischen 1.000 bis 1.600 neue Flüchtlinge angekommen. Weitere Zelte wurden aufgebaut. Wo vorher in einer Wartehalle noch Essen verteilt wurde, sind jetzt auch viele Familien auf dem Boden mit ein paar Decken zusammengepfercht. Tagsüber halten sich die meisten draußen auf. Die Luft ist nicht gut in der Wartehalle. Es gibt weiterhin keine Duschen und nur wenige mobile Toiletten. Alle Flüchtlinge haben Angst vor Krankheiten und viele haben sie auch bereits. In der mobilen Praxis von „Smile of the Child“ spreche ich mit der ehrenamtlich dort arbeitenden Kinderärztin. Sie schenkt mir einige Minuten ihrer kostbaren Zeit. Die nächsten kleinen Patienten warten schon. Sie arbeitet hier wie die anderen rund 2.000 ehrenamtlichen Ärzte, Psychologen und Sozialarbeiter von „Smile of the Child“ ehrenamtlich . Manche Helfer sind seit Tagen hier im Einsatz, die Gesichter kennen wir nun schon. Nur heute wirken sie noch erschöpfter als beim letzten Besuch.

„Seit dem Wochenende hat sich die Situation dramatisch verschlechtert. Bis letzte Woche haben wir hier überwiegend einfache Infektionen, vor allem Erkältungen behandelt. Jetzt haben wir viele Fälle von Hepatitis A, Durchfall und Windpocken hier. Viele Kinder müssen ins Krankenhaus, ihre Behandlung ist hier nicht möglich und wir befürchten eine weitere Ansteckung unter den Flüchtlingen“ ,so die Ärztin.