Helfer unterwegs - Schriftzug
Träger des Journalistenpreises
Griechenland

Geflüchtete in Griechenland

Lieber Sebastian: Du hast dich für den Journalistenpreis Humanitäre Hilfe beworben: Was war deine Motivation?

Ich bin am liebsten Reporter und will nah ran. Dorthin, wo sich große Zusammenhänge an den Schicksalen von Betroffenen konkret erzählen lassen. Flucht, Vertreibung und ihre Folgen sind DAS beherrschende Thema dieser Zeit. Als Journalist habe ich es bisher aber nur aus der Berliner Perspektive begleiten können – zum Beispiel als ich während des Chaos‘ vor der Erstaufnahmestelle in der Turmstraße mit Geflüchteten geredet habe, die dort tagelang in der Hitze warten mussten.
Mich hat jetzt die Möglichkeit gereizt, eine andere Perspektive kennenzulernen und näher an den Ausgangspunkt dieser Humanitären Krise zu kommen, um sie zu verstehen. So eine Chance kriegt man als freier Journalist nur selten.

Du reist für Help – Hilfe zur Selbsthilfe und den ASB nach Griechenland und besuchst dort Flüchtlings-Projekte. Was war dein erster Gedanke?

Ich habe mich gefreut, aber gleichzeitig hatte ich auch Respekt vor der Aufgabe. Die Situation von Geflüchteten in Griechenland, verbunden mit dem Deal zwischen Deutschland und der Türkei, ist gefühlt Dauerthema. Ich habe den Eindruck, dass es deshalb im medialen Grundrauschen inzwischen untergeht, weil so viel berichtet wurde. Der nächste Gedanke war, dass ich es genau deshalb gut finde, jetzt dorthin zu fahren – es wird eine Herausforderung, in Griechenland Reportagen zu machen, die auffallen und zeigen, warum uns die Lage dort immer noch alle angeht.

Was denkst du, was dich vor Ort erwartet?

Menschen, die nicht vor und nicht zurück können, die mit diesem dauerhaften Schwebezustand umgehen müssen – wie sie das bewältigen, möchte ich gerne erfahren. Zuletzt sind wieder mehr Geflüchtete in den Camps untergebracht worden, die Helfer vor Ort erwarten, dass die Zahlen weiter steigen. Wie die Hilfsorganisationen das schaffen und besonders, wie die Zusammenarbeit mit der griechischen Regierung aussieht, interessiert mich ebenfalls sehr.

Das Thema Flüchtlinge ist in den Medien stark vertreten. Welche Herausforderungen ergeben sich hieraus für dich?

Neue Aspekte zu finden, die noch nicht „übererzählt“ sind. Wie sehen zum Beispiel die griechischen Helfer, aber auch die Verantwortlichen der griechischen Regierung die Situation? Wie gut sind die Strukturen dort darauf vorbereitet, wenn wieder viel mehr Geflüchtete kommen sollten? Wie wirkt sich der Beschluss der neuen Bundesregierung zum Familiennachzug konkret auf die Perspektive einer Mutter und ihrem Kind in einem der Help-Projekte in Griechenland aus? Das alles zeigt aber auch, wie schwierig es ist, aus dem Dickicht dieser ganzen Zusammenhänge und Zahlen starke, konkrete Geschichten herauszulösen.

Der Journalistenpreis Humanitäre Hilfe steht unter dem Stern neue Wege der Berichterstattung über humanitären Hilfe beschreiten zu wollen. Wie können solche neuen Wege aussehen?

Unabhängig von der Darstellungsform würde ich sagen: Nicht die immer gleiche Narrative zu wiederholen. Geflüchtete sind passive Opfer, das Leben in den Camps ist schlimm, es gibt wenig Hoffnung – ich glaube, damit wird man es nach all der Flut von Berichten schwer haben, Leser und Zuschauer noch für das Thema zu interessieren.

Ich würde stattdessen gerne mehr konstruktive Geschichten sehen – wie schaffen es die Menschen, sich auch in solch belastenden Lebenssituationen ihre Würde zu bewahren? Und welche kleinen und großen Ideen haben sie und die Helfer, um ihr Leben zu verbessern? Darauf bin ich besonders gespannt.

Ich freue mich auch drauf, mit allen möglichen Werkzeugen herumexperimentieren zu können: Stories auf Instagram, Drehen mit der Spiegelreflexkamera, O-Töne für mögliche Radiostücke einsammeln oder einfach nur in der Ecke sitzen, zugucken und Notizen machen für die klassische Reportage. Es wird sicher anstrengend sein, diese wahnsinnig vielen Eindrücke erstmal sortiert zu kriegen. Aber dafür habe ich mich ja schließlich beworben.